< Bundesarbeitsgericht ändert Rechtsprechung zur Wirksamkeit von vertraglichen Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen
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Arbeitsrecht: Missachtung des Sonderkündigungsschutzes

Die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne vorherige Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 ArbGG dar, der eine Entschädigung von vier Monatsgehältern rechtfertigen kann.


Dies stellt das LAG Baden-Württemberg in einer aktuellen Entscheidung vom 17.05.2021, Az. 10 Sa 49/20, ausdrücklich fest.

Im entschiedenen Fall kündigte der Arbeitgeber ohne vorherige Beteiligung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Hiergegen erhob der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage und verlangte weiter die Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern.

Das LAG stellte klar fest, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 ArbGG habe. Der Arbeitgeber habe den Arbeitnehmer unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, indem er das Arbeitsverhältnis ohne Anhörung des Integrationsamtes gekündigt habe.

Der Arbeitnehmer habe deshalb nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ArbGG Anspruch auf eine Entschädigung. Im konkreten Fall hielt das Landesarbeitsgericht eine Entschädigung von vier Bruttomonatsgehältern für angemessen, da der Arbeitnehmer monatelang mit einem schwebenden Kündigungsschutzverfahren belastet gewesen sei und der Arbeitgeber im erheblichen Maß das Sonderkündigungsschutzrecht des Klägers missachtet habe und der Arbeitgeber auch keine Gründe dargelegt habe, die sein Verhalten in einem milderen Licht hätten erscheinen lassen.

Arbeitgebern kann deshalb nur geraten werden, den Sonderkündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen stets zu beachten und ohne Beteiligung des Integrationsamtes keine Kündigung auszusprechen. Ein Verstoß gegen diese Regel kann teuer werden.

 

Michael Henn

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht